Seit 1717
wirkte Johann Sebastian Bach
als Hofkapellmeister in
Köthen. Der Abschied von
Weimar brachte dem
temperamentvollen Musiker
mancherlei Widrigkeiten,
einschließlich eines
mehrwöchigen Aufenthalts im
Gefängnis. Dafür bedeutete
der Dienst beim
musikalischen Fürsten
Leopold von Anhalt-Köthen
den äußeren Höhepunkt in der
Laufbahn des bisherigen
Organisten. Die Aufgaben
Bachs hatten sich gewandelt;
für die hervorragende
Köthener Kapelle entstanden
die meisten Orchester- und
Kammermusikwerke,
Divertissements für den Hof,
Belehrung und Recreation für
die "Liebhaber der Musik".
Während dieser glücklichen
Zeit entstanden auch die
sechs "Concerts avec
plusieurs instruments", die
Johann Sebastian Bach dem
Markgrafen Christian Ludwig
von Brandenburg widmete. Das
französisch abgefaßte
Vorwort der eigenhändig
geschriebenen Partitur, die
Bach an den Markgrafen nach
Berlin sandte, wurde am 24.
März 1721 unterzeichnet. Die
Konzerte wurden allerdings
wohl im Laufe der
vorausgehenden Jahre
komponiert. Wie neue
Forschungen ergeben, hat
Bach den Markgrafen
vermutlich 1718 in Berlin
besucht, als er ein neues
Cembalo für die Köthener
Kapelle abholte. Die
Besetzung der Konzerte war
genau den Kräften der
Köthener Hofkapelle
angepaßt, während die
Kapelle des Markgrafen nur
sechs Musiker zählte. Eine
Ausnahme bildet nur das
festlich groß besetzte
Konzert Nr. 1.
Konzertmeister war Joseph
Spies, der im 2., 4. und 5.
Konzert dankbare Aufgaben
übernahm. Bach selbst
spielte in der Regel die
Viola und leitete von seinem
Pult aus das Orchester. Da
er im 5. Konzert jedoch
selbst den schwierigen
Cembalopart spielte, fehlte
der Viola-Spieler, und der
zweite Geiger mußte diesen
Platz übernehmen. Deutet
neben der Stärke der
Hofkapelle in Köthen schon
die ungewönliche Besetzung
im 5. Konzert mit fehlender
2. Violine und im 6. Konzert
mit den vier Violen auf
solistische Besetzung hin,
so wird der Vorzug der
Solo-Besetzung auch durch
die musikalische Struktur
der Werke einleuchtend.
Der Reiz des 6. Konzerts
liegt im dunklen
Violenklang, bei dem die
virtuos geführten Viole da
braccio mit dem näselnden
Klang der Viole da gamba
kontrastieren. Fürst Leopold
war wohl selbst in diesem
Werk als Gambist tätig,
während der ältere Abel,
Vater des berühmten
Gambenvirtuosen, die äußerst
delikate Cellopartie
übernahm.
Der breit angelegte erste
Satz zeigt die
kontrapunktischen Künste
Bachs. Die beiden Armviolen
beginnen mit einem lebhaft
geführten Thema als Kanon im
kurzen Abstand einer
Achtelnote. Dies Thema ist
nichts weiter als ein
kunstvolles Arpeggieren, das
die verschiedenen Lagen und
den Umfang der Instrumente
zeigt. Während die drei
Unterstimmen zum Konzert der
Bratschen zunächst nur in
langen Akkordreihen
grundieren, beginnen sie in
einem zweiten Thema, das
auch auf dic Arpeggien Bezug
nimmt, mitzusprechen. Hier
wird deutlich, was Bach
einmal von der Polyphonie
gesagt haben soll als einer
zu Gesprachen versammelten
ernsten Gesellschaft, in der
ieder seine Stimme erhebt,
bald antwortet, dann
widerspricht oder auch
schweigend zuhört. Daß
Stimmen und Instrumente
sprechen müssen, war in der
Musiklehre der Barockzeit
seit der kunstvollen
Entwicklung einer
musikalischen Rhetorik
selbstverständlich geworden.
Auf die komplizierte
Polyphonie des ersten Satzes
folgt im zweiten Satz ein
elegischer Zwiegesang der
Viole da braccio, der sich
in weiten, ruhigen Bögen
über den Baß spannt. Dieser
starke Gegensatz der Affekte
findet sich in fast allen
Brandenburgischen Konzerten,
da bewegten, oft übermütigen
Ecksätzen ein
melancholisches Adagio
gegenübersteht. Im
rondoähnlichen Schlußsatz
steigert sich das Spiel der
Violen noch einmal zu
äußerster Virtuosität. Das
in Triolen geführte
Hauptthema wird in den
ersten Zwischen-episoden nur
umspielt, bald folgen jedoch
furiose Laufe und glitzernde
Akkordbrechungen, die den
Satz wie eine rauschende
Iagd vorüberziehen lassen.
Das 5. Brandenburgische
Konzert ist zwar eigentlich
ein Tripelkonzert, doch wird
es durch eine ausladende
Kadenz im ersten Satz und
durch die Struktur des
ganzen Werkes fast zu einem
Cembalokonzert. Die geniale
Konzeption des ersten Satzes
ist für einen Konzertsatz
der ersten Hälfte des 18.
Jahrhunderts einmalig. Das
Hauptthema, aus dem
D-dur-Akkord gewonnen,
gewinnt als rhythmisch
pointierter Einwurf des
Orchesters den Charakter
eines Ritornells, das in
verschiedenen Tonarten immer
wiederkehrt und dem Satz
seine Lebhaftigkeit
verleiht. Zwischen diesen
kurzen Ritornellen sprechen
die drei Soloinstrumente,
bald lyrisch, bald die
lebhafteren Rhythmen des
Themas virtuos nachahmend.
Eine geheimnisvoll
verhangene Episode in
fis-moll vereint Soli und
Tutti zu reizvollem Spiel,
das nach kurzem Einsatz des
Ritornells zur großen Kadenz
überleitet. Diese wird
vorbereitet in rauschenden
Cembalokaskaden, die nach
dem letzten Ritornell die
anderen Instrumente immer
mehr aufzulösen scheinen, um
dem königlichen Klang des
Tasteninstruments Platz zu
machen.
Der Name Affettuoso für den
zweiten Satz, der in h-moll
steht, deutet schon den
schmerzlichen Affekt an, in
dem die drei Soloinstrumente
miteinander voll Melancholie
sprechen. Die kurzen Motive,
die immer wiederkehrenden
Seufzer vereinigen sich zu
einem Satz kunstvoll freier
Polyphonie. Hier erreicht
die Vereinigung von linearer
Kunst und Emphase des
geistigen Ausdrucks einen
Höhepunkt.
Der dritte Satz trägt den
Charakter einer Gigue, ohne
deren Form nachzuahmen. Die
fanfarenähnliche Quart des
Themas mit den folgenden
Triolen bestimmt die Frische
des ganzen Satzes und konnte
ihn zu einem erquickenden
Vergnügen für fürstliche
Ohren machen.
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