HARMONIA MUNDI
1 LP - HMS 30 801 - (p) 1965
1 CD - 82876 70043 2 - (p) 2005

BRANDENBURGISCHE KONZERTE







Johann Sebastian BACH (1685-1750) 5. Brandenburgisches Konzert D-dur, BWV 1050
21' 48"

- Allegro 10' 25"
A1

- Affettuoso 5' 45"
A2

- Allegro 5' 34"
A3

6. Brandenburgisches Konzert B-dur, BWV 1051
17' 45"


- Allegro (ohne Stzbezeichnung)
7' 09"
B1

- Adagio ma non tanto 4' 41"
B2

- Allegro 5' 53"
B3





 
Collegium Aureum
5. Brandenburgisches Konzert
- Gustav Leonhardt, Cembalo
- Hans-Martin Linde, Traverflöte
- Franz-Josef Maier, Günter Vollmer, Violine
- Ulrich Koch, Viola
- Angelica May, Violoncello
- Johannes Koch, Violone
6. Brandenburgisches Konzert
- Ulrich Koch, Günter Lemmen, Viola
- Johannes Koch, Heinrich Haferland, Viola da gamba
- Angelica May, Violoncello
- Paul Baeuer, Kontrabaß
- Gustav Leonhardt, Cembalo


 






Luogo e data di registrazione
Cedernsaal, Schloß Kirchheim (Germany) - settembre 1964


Registrazione: live / studio
studio

Recording Supervision
Dr. Alfred Krings


Engineer
Hubert Kübler


Prima Edizione LP
Harmonia Mundi | HMS 30 801 | 1 LP - durata 39' 33" | (p) 1965


Edizione CD
Deutsche Harmonia Mundi | LC 00761 | 82876 70043 2 | 2 CDs - durata 45' 06" - 56' 11" | (c) 2005 | ADD

Cover Art

Winter + Bischoff


Note
-













Seit 1717 wirkte Johann Sebastian Bach als Hofkapellmeister in Köthen. Der Abschied von Weimar brachte dem temperamentvollen Musiker mancherlei Widrigkeiten, einschließlich eines mehrwöchigen Aufenthalts im Gefängnis. Dafür bedeutete der Dienst beim musikalischen Fürsten Leopold von Anhalt-Köthen den äußeren Höhepunkt in der Laufbahn des bisherigen Organisten. Die Aufgaben Bachs hatten sich gewandelt; für die hervorragende Köthener Kapelle entstanden die meisten Orchester- und Kammermusikwerke, Divertissements für den Hof, Belehrung und Recreation für die "Liebhaber der Musik". Während dieser glücklichen Zeit entstanden auch die sechs "Concerts avec plusieurs instruments", die Johann Sebastian Bach dem Markgrafen Christian Ludwig von Brandenburg widmete. Das französisch abgefaßte Vorwort der eigenhändig geschriebenen Partitur, die Bach an den Markgrafen nach Berlin sandte, wurde am 24. März 1721 unterzeichnet. Die Konzerte wurden allerdings wohl im Laufe der vorausgehenden Jahre komponiert. Wie neue Forschungen ergeben, hat Bach den Markgrafen vermutlich 1718 in Berlin besucht, als er ein neues Cembalo für die Köthener Kapelle abholte. Die Besetzung der Konzerte war genau den Kräften der Köthener Hofkapelle angepaßt, während die Kapelle des Markgrafen nur sechs Musiker zählte. Eine Ausnahme bildet nur das festlich groß besetzte Konzert Nr. 1. Konzertmeister war Joseph Spies, der im 2., 4. und 5. Konzert dankbare Aufgaben übernahm. Bach selbst spielte in der Regel die Viola und leitete von seinem Pult aus das Orchester. Da er im 5. Konzert jedoch selbst den schwierigen Cembalopart spielte, fehlte der Viola-Spieler, und der zweite Geiger mußte diesen Platz übernehmen. Deutet neben der Stärke der Hofkapelle in Köthen schon die ungewönliche Besetzung im 5. Konzert mit fehlender 2. Violine und im 6. Konzert mit den vier Violen auf solistische Besetzung hin, so wird der Vorzug der Solo-Besetzung auch durch die musikalische Struktur der Werke einleuchtend.
Der Reiz des 6. Konzerts liegt im dunklen Violenklang, bei dem die virtuos geführten Viole da braccio mit dem näselnden Klang der Viole da gamba kontrastieren. Fürst Leopold war wohl selbst in diesem Werk als Gambist tätig, während der ältere Abel, Vater des berühmten Gambenvirtuosen, die äußerst delikate Cellopartie übernahm.
Der breit angelegte erste Satz zeigt die kontrapunktischen Künste Bachs. Die beiden Armviolen beginnen mit einem lebhaft geführten Thema als Kanon im kurzen Abstand einer Achtelnote. Dies Thema ist nichts weiter als ein kunstvolles Arpeggieren, das die verschiedenen Lagen und den Umfang der Instrumente zeigt. Während die drei Unterstimmen zum Konzert der Bratschen zunächst nur in langen Akkordreihen grundieren, beginnen sie in einem zweiten Thema, das auch auf dic Arpeggien Bezug nimmt, mitzusprechen. Hier wird deutlich, was Bach einmal von der Polyphonie gesagt haben soll als einer zu Gesprachen versammelten ernsten Gesellschaft, in der ieder seine Stimme erhebt, bald antwortet, dann widerspricht oder auch schweigend zuhört. Daß Stimmen und Instrumente sprechen müssen, war in der Musiklehre der Barockzeit seit der kunstvollen Entwicklung einer musikalischen Rhetorik selbstverständlich geworden.
Auf die komplizierte Polyphonie des ersten Satzes folgt im zweiten Satz ein elegischer Zwiegesang der Viole da braccio, der sich in weiten, ruhigen Bögen über den Baß spannt. Dieser starke Gegensatz der Affekte findet sich in fast allen Brandenburgischen Konzerten, da bewegten, oft übermütigen Ecksätzen ein melancholisches Adagio gegenübersteht. Im rondoähnlichen Schlußsatz steigert sich das Spiel der Violen noch einmal zu äußerster Virtuosität. Das in Triolen geführte Hauptthema wird in den ersten Zwischen-episoden nur umspielt, bald folgen jedoch furiose Laufe und glitzernde Akkordbrechungen, die den Satz wie eine rauschende Iagd vorüberziehen lassen.
Das 5. Brandenburgische Konzert ist zwar eigentlich ein Tripelkonzert, doch wird es durch eine ausladende Kadenz im ersten Satz und durch die Struktur des ganzen Werkes fast zu einem Cembalokonzert. Die geniale Konzeption des ersten Satzes ist für einen Konzertsatz der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts einmalig. Das Hauptthema, aus dem D-dur-Akkord gewonnen, gewinnt als rhythmisch pointierter Einwurf des Orchesters den Charakter eines Ritornells, das in verschiedenen Tonarten immer wiederkehrt und dem Satz seine Lebhaftigkeit verleiht. Zwischen diesen kurzen Ritornellen sprechen die drei Soloinstrumente, bald lyrisch, bald die lebhafteren Rhythmen des Themas virtuos nachahmend. Eine geheimnisvoll verhangene Episode in fis-moll vereint Soli und Tutti zu reizvollem Spiel, das nach kurzem Einsatz des Ritornells zur großen Kadenz überleitet. Diese wird vorbereitet in rauschenden Cembalokaskaden, die nach dem letzten Ritornell die anderen Instrumente immer mehr aufzulösen scheinen, um dem königlichen Klang des Tasteninstruments Platz zu machen.
Der Name Affettuoso für den zweiten Satz, der in h-moll steht, deutet schon den schmerzlichen Affekt an, in dem die drei Soloinstrumente miteinander voll Melancholie sprechen. Die kurzen Motive, die immer wiederkehrenden Seufzer vereinigen sich zu einem Satz kunstvoll freier Polyphonie. Hier erreicht die Vereinigung von linearer Kunst und Emphase des geistigen Ausdrucks einen Höhepunkt.
Der dritte Satz trägt den Charakter einer Gigue, ohne deren Form nachzuahmen. Die fanfarenähnliche Quart des Themas mit den folgenden Triolen bestimmt die Frische des ganzen Satzes und konnte ihn zu einem erquickenden Vergnügen für fürstliche Ohren machen.