HARMONIA MUNDI
1 LP - HMS 30 842 - (p) 1968
2 CDs - 82876 70046 2 - (c) 2005

KANTATEN






Johann Sebastian BACH (1685-1750) "Schweigt stille, plaudert nicht" (Kaffee-Kantate) - für Sopran, Baß, Tenor, Traverflöte, Streicher ind Basso continuo, BWV 211
27' 47" A

- Recitativo (Erzähler): "Schweigt stille, plaudert nicht"
0' 39"


- Aria (Schlendrian): "Hat man nicht mit seinen Kindern"
3' 14"


- Recitativo (Schlendrian): "Du böses Kind, du loses Mädchen" 0' 43"


- Aria (Lieschen): "Ei, wie schmeckt der Coffee süße"
4' 45"


- Recitativo (Schlendrian): "Wenn du mir nicht den Coffee läßt" 1' 20"


- Aria (Schlendrian): "Mädchen, die von harten Sinnen" 3' 39"


- Recitativo (Schlendrian): "Nun folge, was dein Vater spricht" 0' 54"


- Aria (Lieschen): "Heute noch, heute noch" 6' 56"


- Coro: "Die Katze läßt das Mausen nicht" 5' 02"







"Mer hahn en neue Oberkeet" (Cantate en burlesque - Bauern-Kantate) - für Sopran, Baß, Traverflöte, Naturhorn, Streicher und Basso continuo, BWV 212

30' 21" B

- Sinfonia 2' 24"


- Duetto: "Mer han en neue Oberkeet"
0' 40"


- Recitativo (Basso): "Nu, Miecke, gib dein Guschel immer her" 0' 55"


- Aria (Soprano): "Ach es schmeckt doch gar zu gut"
1' 03"


- Recitativo (Basso): "Der Herr ist gut"
0' 26"


- Aria (Basso): "Ach, Herr Schösser, geht nicht gar zu schlimm"
1' 15"


- Recitativo (Soprano): "Es bleibt dabei, daß unser Herr der beste sei"
0' 23"


- Aria (Soprano): "Unser trefflicher lieber Kammerherr" 1' 52"


- Recitativo (Basso): "Er hilft uns allen, alt und jung" 0' 29"


- Aria (Soprano): "Das ist galant" 1' 18"


- Recitativo (Basso): "Und unsre gnäd'ge Frau ist nicht ein prinkel stolz" 0' 42"


- Aria (Basso): "Fünfzig Taler bares Geld" 0' 50"


- Recitativo (Soprano): "Im Ernst ein Wort!" 0' 27"


- Aria (Soprano): "Klein Zschocher müsse so zart und süße" 6' 22"


- Recitativo (Basso): "Das ist zu klug vor dich" 0' 20"


- Aria (Basso): "Es nehme zehntausend Ducaten" 0' 41"


- Recitativo (Soprano): "Das klingt zu liederlich" 0' 19"


- Aria (Soprano): "Gub, Schöne, viel Söhne von art'ger Gestalt" 0' 31"


- Recitativo (Basso): "Du hast wohl recht" 0' 18"


- Aria (Basso): "Dein Wachstum sei feste und lache vor Lust" 6' 15"


- Recitativo (Soprano): "Un damit sei es auch genug" 0' 20"


- Aria (Soprano): "Und daß uhr's alle wißt" 0' 44"


- Recitativo (Basso): "Mein Schatz, erraten!" 0' 32"


- Coro: "Wir gehn nun, wo der Tudelsack" 1' 4"






 
Elly Ameling, Sopran
Gerald English, Tenor
Siegmund Nimsgern, Baß

Collegium aureum
- Günter Höller, Traverflöte
- Franzjosef Maier, Günther Vollmer, Violine
- Günther Lemmen, Viola
- Horst Beckedorf, Violoncello
- Paul Breuer, Kontrabaß
- Gustav Leonhardt, Cembalo (Kantate 211)
- Wilhelm Krumbach, Cembalo (Kantate 212)

 






Luogo e data di registrazione
Cedernsaal, Schloß Kirchheim (Germany) - 1968


Registrazione: live / studio
studio

Recording Supervision
Dr. Alfred Krings | Dr. Kurt Hahn


Engineer
Hubert Kübler


Prima Edizione LP
Harmonia Mundi | HMS 30 842 | 1 LP - durata 58' 12" | (p) 1968


Edizione CD
Deutsche Harmonia Mundi | LC 00761 | 82876 70046 2 | 2 CDs - durata 58' 12" - 48' 19" | (c) 2005 | ADD

Cover Art

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Note
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In den goldenen Zeiten unserer Vorfahren blieb das Kaffehaus den Männern vorbehalten. Seit dem 17. Jahrhundert war in Europa das Kaffeetrinken so sehr Mode geworden, daß sich überall Kaffeehäuser auftaten, die allerdings von der konservativen Bevölkerung und natürlich von den Behörden kritisch betrachtet wurden. Der Freund und Textdichter, Picander, hat 1727 ein heiter-kritisches Urteil über den Caffee gereimt.
Wir haben längst und leider wohl gespürt,
daß blos durch den Caffee sich mancher ruiniert.
Um diesem Unheil nun bei Zeiten vorzugehen,
soll niemand sich Caffee zu trinken unterstehen...
Drauf hörte man daselbst ein immerwährend Heulen;
ach! schrie das Weibesvolk, ach nehmt uns lieber Brod,
denn ohne den Caffee sind wir lebend todt.
Man sieht, was den Herren im Kaffeejaus längst erlaubt war, wollten auch in Leipzig die Frauen daheim nicht entbehren. Da gab es genug Anlaß zum Spott für ein studentisches Collegium musicum, das sich in Leipzig vor der Stadt in den Kaffeehäusern versammelte. Seit 1729 war der Thomaskantor Johann Sebastian Bach "Direktor musices" dieses Collegiums. Was lag da näher, als daß er eine Kantate dieses Poeten Picander, die 1732 veröffentlicht wurde, aufgriff, und daraus eine comische Cantate von "Schlendrian mit seiner Tochter Liessgen" machte.
Dieser Picander war ein Leipziger Beamter namens Christian Friedrich Henrici, den Bach kurze Zeit nach seinem Antritt des Thomaskantorats in Leipzig kennengelernt hatte und der Bach zahlreiche Texte für Passionen und Kantaten schrieb.
In seiner Kaffeekantate fügt Bach den acht Strophen Picanders zwei weitere hinzu, dieden Ausgang der Kantate freundlicher gestalten und in einem Chor der beteiligten Sänger die Sentenz anschließen "die Katze läßt das Mausen nicht, die Jungfern bleiben Coffee-Schwestern". Der heitere Konflikt zwischen dem alten, ewig polternden Schlendrian und seiner gewitzten und schlmischen Tochter Liessgen mochte wohl auch im Bachschen Hause aufgetaucht sein. Musikalich benutzt Bach die Gegensätze der beiden Figuren in je zwei Arien, die das Brummen und Murren des Alten ebenso charakterisieren wie Liessgens heitere Empfindung beim Genuß des Kaffees oder gar, als er der kaffeesüchtigen Tochter einen Mann verbietet, die Sehnsucht nach einem Freier. Diese letzte Arie ist unmittelbar verwandt mit dem eleganten französischen Stil Couperins und gibt der burlesken Kantate jenen schwebenden und leichten Ton. Von treffender Situationskomik sind die Rezitative, bei deren Anhören man bedauern mag, daß Bach keine komische Oper geschrieben hat. Den Rahmen der Kantate bilden zwei Rezitative eines Erzählers, von denen das eine in witziger Weise die Kantate "con pomposa" einleitet. Das Schlußterzett gibt den heiteren Kehraus, der allerdings mit seinen Ritornellen, mit der präzisen rhzthmischen Formulierung der Texte und mit seiner kunstvoll polyphonen Stimmführung ein Glanzstück heiterer Kammerkunst ist.

Das gegenstück zur Kaffeekantate ist ein zehn Jahre jüngeres Werk, das am 30. August des Jahres 1742 aufgeführt wurde. Der schon genannte Poet und Beamte Henrici war seit 1736 Postkommissar und seit 1740 gar Steuereinnehmer im Leipziger Bezirk. Zu diesem Bezirk gehörten auch zwei Dörfer, die 1742 an den Kammerherrn Karl Heinrich von Dieskau gefallen waren. Natürlich wollte der Steuerbeamte sich mit seinem neuen Herren gut stehen, und so mußte Johann Sebastian Bach eine Kantate zur Huldigung des Kammerherrn, der in den beiden Dürfern Knauthain und Kleinzschocher residierte, schreiben. Der Thomaskantor schrieb mit seiner "Cantate burlesque", die als Bauercantate bekannt ist, ein volkstünliches Divertissement für zwei Singstimmen und Instrumente, Knecht und Magd sind die beiden Sänger, die mit Anzuglichkeiten, derben Redensarten, aber auch Parodien auf die vornehme Welt nicht sparen. Für sein Orchester wählte Bach die gebräuchlichen Tanzbodeninstrumente. Die Geige, die Viola, den Baß und das Horn. Nur für eine "städtische arie" der Magd treten eine zweite Violine und eine Soloflöte hinzu. Schon die einleitende Sinfonie benutzt Bach, um ein ganzes Potpourri von Tänzen vorzutragen. Der einleitende Chor vereinigt Knecht und Magd zu einem Lob auf die Gustsherren. Dann geht das heitere Spiel in lebhafter Rede und Gegenrede vor sich. Die kleinen arien weisen zumeist Tanzcharakter auf oder es wird sogar die gravitätische Folie d'espagne zitiert. Volksliedmelodien treiben ein beziehungsreiches musikalisches Spiel. Im ersten Rezitativ, als Mieke den verliebten Knecht in die Schranken weisen will, wird der Großvatertanz zitiert. Die Streichinstrumente spielen ins Rezitativ hinein die wohlbekannte Melodie, deren Text lautet "mit mir, mit dir ins Federbett, mit mir, mit dir ins Stroh; da sticht uns keine Feder net, da beißt uns auch kein Floh". Das Ende des Rezitativs zitiert dann noch einmal beziehungsreich das Volklied "Ich bin so lang nicht bei dir gwest".
Die Folge der Polonaisen und Bourrées, der Mazurken und Sarabanden word unterbrochen durch zwei große Arien. Die erste singt Mieke "nach der Städter Weise" "der neuen Obrigkeit zu Ehren". Die Antwort des derben Burschen auf diese vornehme Arie ist in ihrer Melodie einem bekannten französischen Jagdlied in einer Fassung des Komponisten Anton Seemann nachgebildet. Dieser wirkte damals als Kapellmeister des Reichsgrafen von Storck in Böhmen. Da diese Melodie in Deutschland aber zum Text "auf auf zum Jagen" bekannt war, fügte Bach gerade dieser kleinen Arie das Horn hinzu. Der junge Bursche will aber hinter seiner Mieke an städtischer Kunstfertigkeit nicht zurückstehen und singt eine große Arie, die Bach der Kantate 201 entlehnt hatte. Der Originaltext "zu Tanze, zu Sprunge, so wackelt das Herz", den dort Pan bei seinem Wettstreit mit Apoll vorträgt, wird hier allerdings ersetzt durch den Text "dein Wachstum sei feste".
Wenn schon zum Collegium musicum als Ergänzung das Convivium gehörte, so mußte eine Bauernkantate mit einer Einladung zum Trinken schließen und mit der Aufforderung, in die Schänke zu ziehen. Diese Einladung ergeht nicht, ohne daß die Sänger dem Hause Dieskau reiches Glück und Kindersegen gewünscht haben. Der letztere Wunsch verklingt in Gestalt eines Wiegenliedes.
Beide Kantaten unserer Aufnahme weisen eine solistische Instrumentalbesetzung auf, die bei der Bauernkantate vom einfachen ländlichen Anlaß und von der Wahl der Instrumente gefordert wird, die sich bei der Kaffeekantate aus der musikalischen Struktur der zweiten Sopranarie zwingend ergibt, wo zum Satz der Streicher das Cembalo in der linken Hand virtuos konzertierende Passagen aufweist, die nur bei solistischer Besetzung ihre Wirkung tun.