HARMONIA MUNDI
1 LP - HMS 30 860 - (p) 1969
1 CD - 82876 70031 2 - (c) 2005

ALTE CEMBALI - AUS ITALIEN, DEUTSCHLAND UND DEN NIEDERLANDEN








Giovanni PICCHI (1572-1643) Toccata - Fitzwilliam Virginal Book Nr. 95) Grimaldi
3' 38" A1
Giovanni de MACQUE (c.1550-1614) Zwei Gagliarden Grimaldi
2' 03" A2
Tarquinio MERULA (c.1590-1665) Toccata secundi Toni Grimaldi
3' 10"
A3
Johann Kaspar KERLL (1627-1693) Ciacona in C
Grimaldi
2' 47" A4
Jan Pieterszoon SWEELINCK (1562-1621) Toccata Ruckers
3' 05" A5
Anonym (holländisch)
Rosemont - Leningrad-Manuskript Ruckers
0' 58" A6
Jan Pieterszoon SWEELINCK Malle Sijmen - Leningrad-Manuskript Ruckers
1' 29" A7
Anonym La Princesse - aus dem Klavierbuch der Anna Maria van Eyl, 1671 Ruckers
2' 40" A8
Heinrich SCHEIDEMANN (1596-1663) Ballet - aus dem Klavierbuch der Anna Maria van Eyl, 1671
Ruckers
1' 36" A9
Johann Sebastian BACH (1685-1750) Adagio, BWV 968
Gräbner
3' 24" B1
Johann Sebastian BACH Präludium, Fuge und Allegro, BWV 998 Gräbner
10' 45" B2
Carl Philipp Emanuel BACH (1714-1788) Württembergische Sonate e-moll, Op. 2 Nr. 3, Wq 49 Gräbner
10' 44"

- Allegro

4' 13"
B3

- Adagio

4' 13"
B4

- Vivace
2' 18"
B5






 
Gustav LEONHARDT - Cembalos der Sammlung Rück, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg (Germany):
- Cembalo Carlo Grimaldi, Messina 1697
- Cembalo Andreas Ruckers, antwerpen 1637
- Cembalo Carl August Gräbner, Dresden 1782


 






Luogo e data di registrazione
Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg (Germany) - 1969


Registrazione: live / studio
studio

Recording Supervision
Dr. Alfred Krings | Thomas Gallia


Engineer
Hubert Kübler


Prima Edizione LP
Harmonia Mundi | HMS 30 860 | 1 LP - durata 46' 26" | (p) 1969


Edizione CD
Deutsche Harmonia Mundi | LC 0761 | 82876 70031 2 | 1 CD - durata 46' 26" | (c) 2005 | ADD


Cover Art

Cembalo von Carlo Grimaldi, Messina 1697


Note
-














Glanz des alten Klavierklangs
dargeboten mit Instrumenten der Sammlung historischer Musikinstrumente Dr. Dr. h. c. Ulrich Rück im Germaniscnen Nationalmuseum, Nürnberg.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war, wie auch auf anderen Gebieten der Kunst und Kultur, auf dem der Musikinstrumente verschiedentlich die private Initiative zu beobachten, Klangwerkzeuge vergangener Zeiten zu sammeln. Zweck dieser Sammeltätigkeit war nicht nur, eine gewisse Zahl von optisch schönen Stücken zusammenzubringen,sondern auch vorallem,dem Klangbild der Musik früherer Jahrhunderte etwas näherzu kommen.
Der Anfang der Rück'schen Instrumentensammlung geht etwa auf das Jahr 1880 zurück, als der Nürnberger Lehrer, Organist und spätere Pianohausinhaber Wilhelm Rück (1849-1912) begann, systematisch Musikinstrumente zusammenzubringen. Das väterliche Erbe wurde von den beiden Söhnen Hans (1876-1940) und Ulrich Rück (1882-1962) erweitert. Im September 1962 konnte das Germanische Nationalmuseum, Nürnberg, die „Sammlung historischer Musikinstrumente Dr, Dr. h. c. Ulrich Rück“ mit Hilfe der Stiftung Volkswagenwerk erwerben. Die Sammlung wurde in den nachfolgenden Jahren noch vergrößert.
Einen Schwerpunkt bilden die besaiteten Tasteninstrumente, die einen Überblick über den europäischen Klavierbau von der Spätrenaissance bis in die Biedermeierzeit bieten.
Die historische Musikwissenschaft gelangt allmählich zu der Erkenntnis, dass es nicht damit getan ist, phílologisch möglichst genaue Notentexte herzustellen, sondern dass die Rekonstruktion des Klangbildes der Musik früherer Jahrhunderte ein wichtiges Ziel ihrer Disziplin ist, ein Ziel, das sie zumindest teilweise nie erreichen wird, das aber nichtsdestoweniger ein Zweck ihrer Tätigkeit bleibt. Dabei gewinnen diejenigen Teilgebiete an interesse, die zwischen dem fertigen Notentext und dem klingenden Endergebnis liegen. Bei der Instrumentalmusik sind das unter anderem die historischen Musikinstrumente. Hieraus geht die außerordentliche wissenschaftliche Bedeutung einer museal betreuten Sammlung wie der Rück'schen hervor.
Nicht geringer ist jedoch der künstlerische Wert einer solchen Sammlung. Es würde von einer völlig veralteten evolutionistischen Einstellung Zeugnis ablegen, wenn man noch heute behaupten würde, man brauche die historischen Musikinstrumente in der Praxis nicht, weil die modernen Klangwerkzeuge besser seien. Nicht jede Entwicklung oder gar Änderung ist eine absolute Verbesserung. Die heutige Forschung kommt allmählich zur Einsicht, dass man beim handwerklichen Instrumentenbau früherer Zeiten bestimmte in der Natur liegende Konstruktionsprinzipien befolgte, die bei der Industrialisierung des Gewerbes zugunsten andersartiger Grundsätze aufgegeben wurden. Historische Musikinstrumente besitzen infolgedessen einen Klang, der in einer ganz besonderen Art schön ist und der dadurch, dass er in Vergessenheit geraten und dem heutigen Musiker nicht geläufig ist, jetzt als neuartig empfunden werden kann. Hinzu kommt, dass Komponisten von Instrumentalmusik früherer Jahrhunderte eben nicht für die modernen, sondern für die instrumente ihrer Zeit geschrieben haben,die manchmal nicht weniger, sondern mehr, auf jeden Fall aber andere Möglichkeiten besaßen als die heutigen. Die Ausführung alter Instrumentalmusik auf historischen Instrumenten birgt dadurch nicht nurein Überraschungsmoment in sich, sondern hat auch den Vorzug der Treue den Intentionen der Meister gegenüber.
DieseAufnahme will eine Kostprobe dessen geben, wie Cembalokompositionen früherer Zeiten auf Instrumenten aus der Umgebung des jeweiligen Komponisten geklungen haben und klingen. Das Cembalo mit seinem sicherlich nicht gefühlsseligen, aber um so klareren und durchsichtigeren Klang ist ein instrument, das noch bis in die Jugend Beethovens eine Rolle gespielt hat.
Rendo lieti in un tempo gli occhí el core - ich erfreue gleichzeitig Augen und Herz. Dieser Spruch aufeinem der erhaltenen italienischen Cembali gilt für nahezu alle gleichartigen instrumente der Halbinsel,
wobei offensichtlich davon ausgegangen wird, dass das Herz gerade durch die Ohren gerührt wird. Welch ein wunderschönes Möbel ist das Cembalo von Carlo Grimaldi, Messina 1697! Und wie herrlich der typisch italienische, etwas trocken-nüchterne, zugleich tonlich dunkelklare, schimmernde, ausgeglichene Adel seines Klanges! Was den Europäern nördlich der Alpen immer schwer begreiflich bleibt, ist das Zusammengehen einer klaren, etwas trockenen Grundtönigkeit über den ganzen Umfang und einer schimmernden Obertönigkeit, welche die Verwendung eines Vierfußregisters überflüssig macht. Dieser in der Disposition arme, klanglich jedoch überaus reiche Cembalotyp war derjenige, für den die italienischen Komponisten drei Jahrhunderte hindurch komponierten und der sicherlich auch im südlichen Teil des deutschen Sprachgebietes, wo im 17. und 18.Jahrhundert der italienische Einfluss ja erheblich war, gespielt wurde-
Musica laetitiae comes, medicina dolorum - Musik ist die Begleiterin der Freude und das Heilmittel gegen die Schmerzen. Dieser Spruch auf einigen flämischen Cembali ist typisch für den Optimismus des niederländischen Bürgertums des 17. Jahrhunderts. Sowohl konstruktionsmäßig als auch oft in der äußerlichen Aufmachung sind flämische Cembali, wie dasjenige von Andreas Ruckers d. Ä., 1637, einem Mitglied der berühmten Antwerpener Dynastie von Cembalobauern aus dem letzten Viertel des 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, einfacher, ja sogar gröber als die nobleren italienischen Instrumente. Ihr Ton ist etwas weniger ausgeglichen: Die Bässe sind etwas dumpf, der Diskant ist jedoch rauschend und funkelnd. Dieser Glanz kann durch die Verwendung des fast immer vorhandenen Vierfußregisters noch erhöht werden. Wie ausgezeichnet klingen auf einem solchen Instrument die Tänze und Liedvariationen der Niederländer des 17. Jahrhunderts, aber auch die größer angelegten Kompositionen Sweelincks und seiner deutschen Schüler!
Eine völlig neue Cembalowelt eröffnet sich beim Klang der Kielklaviere der sächsischen Meister. Sie sind nicht so rauschend wie die flamischen Instrumente, dafür aber bei demselben funkelnden Glanz des Tones delikater und präziser. Mit der sächsischen Schule des Cembalobaus war sicherlich Johann Sebastian Bach bekannt, so dass es durchaus angebracht ist, Werke des Thomaskantors auf einem Instrument wie demjenigen von Carl August Gräbner, Dresden 1782, auszuführen. Aber auch Carl Philipp Emanuel Bachs Werke, zumindest die frühen, sind für das Kielklavier konzipiert. Die sechs Württembergischen Sonaten, Herzog Karl Eugen von Württemberg gewidmet und 1744 gedruckt, sind ausdrücklich „per Cembalo” gedacht. Erst viel später, etwa 1780, wendet sich der berühmteste Sohn des Thomaskantors dem Pianoforte zu.
Mögen die neuartigen Klänge der alten Tasteninstrumente, Ausgangspunkt für das Komponieren der Meister, von diesen bewundert und geliebt, die Herzen der Zuhörer mehr als zuvor öffnen!

John Henry van der Meer