HARMONIA MUNDI
1 LP - HMS 30 869 - (p) 1969
1 CD - GD 77061 - (c) 1990

BERLINER KONZERTE






Carl Philipp Emanuel BACH (1714-1788) Concerto d-moll für Cembalo concertato, Streicher und Basso continuo - Potsdam 1748 (Wotquenne 23)
22' 40"

- Allegro 9' 56"  
A1

- Poco andante 7' 22"
A2

- Allegro assai
5' 22"
A3

Concerto Es-dur für Oboe concertato, Streicher und Basso continuo - Berlin 1765 (Wotquenne 165)

21' 17"

- Allegro 7' 06"
B1

- Adagio ma non troppo
7' 17"
B2

- Allegro ma non troppo
6' 54"
B3





 
Gustav Leonhardt, Cembalo (von Rainer Schütze, Heidelberg 1967)
Helmut Hucke, Barockoboe (eines unbekannten Instrumentenmacheres ca.1780)



Collegium aureum
(Streichinstrumente von italienischen und deutschen Meistern des 16.-18. Jahrhunderts, mit Darmsaiten bespannt, mit Barockbogen gespielt)
- Franzjosef Maier, Konzertmeister
- Wolfgang Neininger, Wener Neuhaus, Ruth Nielen, Gerhard Peters, Brigitte Seeger, Günther Vollmer, Doris Wolff-Malm, Violine
- Frany Beyer, Günther Lemmen, Viola
- Johannes Koch, Viola da gamba
- Anner Bylsma, Violoncello
- Paul Breuer, Kontrabaß

 






Luogo e data di registrazione
Jagdsaal, Schloß Schwetzingen (Germany) - febbraio 1968


Registrazione: live / studio
studio

Recording Supervision
Dr. Kurt Hahn | Dr. Alfred Krings


Engineer
Hubert Kübler


Prima Edizione LP
Harmonia Mundi | HMS 30 869 | 1 LP - durata 43' 57" | (p) 1969


Edizione CD
Deutsche Harmonia Mundi | LC 0761 | GD 77061 | 1 CD - durata 66' 43" | (c) 1990 | ADD


Cover Art

Augustine de Saint Aubin (1736-1807): Le Concert, Kupferstich (Kunstarchiv Arntz)


Note
Nell'edizione in CD si aggiunge, sempre di C.P.E. Bach, il Doppio Concerto, Wq 46.














Was war das für ein Mann, Carl Philipp Emanuel, jener dritte geniale Sohn des Thomaskantors Bach? Zu seinen Bewunderern zählten Haydn und Beethoven. Mit Lessing, Klopstock und Claudius war er befreundet, mit Diderot stand er in Brief-wechsel.
In Leipzig hatte Philipp Emanuel das musikalische Handwerk gelernt. "In der Composition und im Clavierspielen habe ich nie einen andern Lehrmeister gehabt als meinen Vater." Der 17-jährige aber bezieht die huristische Fakultät in Leipzig, geht drei Jahre spàter als Jurastudent nach Frankfurt an der Oder, vernachlässigt dazwischen seine musikalischen Interessen nicht, doch überrascht es sogar seinen Vater, daß er 1738 als Kammercembalist an den Hof des preußischen Kronoprinzen Friedrich gerufen wird. Später noch rühmte sich Philipp Emanuel, daß er "die Gnade hatte, das erste Flötensolo, was Sie als König spielten, in Charlottenburg mit dem Flügel ganz allein zu begleiten." 27 Jahre blieb Philipp Emanuel in Berlin; mehrere Versuche, eine andere Stelle zu erlangen, schlugen fehl. "Seine Majestät waren so gnädig, alles dies (die anderen Berufungen) durch eine ansehnliche Zulage meines Gehalts, zu vereiteln." Erst mit dem Tod Telemanns, seines Paten, eröffneten sich dem längst berühmten Komponisten und Pädagogen die angesehene Stelle eines Musikdirektors der fünf Hauptkirchen der Hansestadt Hamburg.
Der äußerlich eng umgrenzte Lebenskreis Philipp Emanuel Bachs täuscht über den weiten Blick hinweg, den er über die europäosche Musik seiner Zeit und über die geistigen Strömungen seines Jahrhunderts tun konnte. Zwar kam er kamm über Leipzig, Berlin und Hamburg hinaus, "Ich leugne nicht, daß es mir ungemein lieb und vorteilhaft würde gewesen sein, wenn ich hätte können Gelegenheit haben, fremde Länder zu besuchen." Französische und italienische Musik aber konnte er schon in Leipzig studieren. Der überrangenden Bedeutung seines Vaters blieb er sich dabei zeitlebens bewußt. "Man ist von ihm gewohnt gewesen, nichts als Meisterstücke zu sehen." Der Musikerkreis am Berliner Hof bezeichnete dann allerdings den äußersten Gegenpol zur polyphonen Kunst Johann Sebastians. In einer Atmosphäre, die, vom König selbst inspiriert, der französoschen Kultur weit geöffnet war, entfaltete sich ein Schule bildener galanter Stil, der in der Begrenzung der Affekte ein Ideal erblickte, nach dem "die gar zu heftigen und gewaltsamen Leidenschaften von Rechts wegen aus dem Systema der Musik verwiesen werden" (Mattheson). Aus einer musikalischen Analreontik solcher art, die im Kreis der Berliner Musiker Quantz und Graun allzusehr in Regeln gefaßt schien, löste sich Carl Philipp Emanuel schon bald. Zwar konnten auch seine frühen Klavierstücke "das Gefällige, das Reizende, das Scherzende und das Tändelnde" (Görner) ausdrücken. Doch ihm ging es um mehr als um die Künstlichkeit konventioneller Formen und Affekte.
"Alles Tändeln auf dem Clavichorde, alles süßliche, geistentnervende Wesen, alles Berlockengeklingel der heutigen Tonmeister" sei ihm ein Greuel, so berichtet Schubart. "Mich deucht, die Musik müsse vornehmlich das Herz rühren", schreibt Philipp Emanuel in seiner Selbstbiographie, "indem ein Musickus nicht anders rühren kann, er sey dann selbst gerührt." Dies letzte Wort aus seinem hervorragenden pädagogischen Werk von 1753, dem "Versuch über die wahre Art, das Clavier zu spielen", weist auf die Ideale Rousseaus hin, nach denen die Musik aus einer reinen Wirkung des Gefühls entspringen und, wie Philipp Emanuel sagt, die Wiedergabe aus der Quelle des Empfindens kommen muß.
Für einen Musiker, der so sehr auf Ausdruck und Empfindung zielt, werden Formprobleme zweitrangig. Die Erfindungen der Mannheimer Schule mußten daher auch in unserer Zeit lange das Bild des genialen Bachsohnes verdunkeln; zu vordergründig war die Entwicklung der Sonatenform in ihrer Bedeutung für die Klassik gesehen worden. Daß Philipp Emanuel Bachs Werke in der Erschießung meuer Welten des Ausdrucks weiter reichten und in ihrer Individualität unmittelbar aud den reifen espressiven Stil Beethovens weisen, zeigen die Werke unserer Aufnahme. Seine persönliche Anteilnahme schildert der komponist selbst. "Unter allen meinen Arbeiten, besonders fürs Clavier, sind blos einige... Concerte, welche ich mit aller Freyheit und zu meinem eignen Gebrauch gemacht habe." Das Oboenkonzert Es-dur existiert wie alle Solo-Konzerte auch in einer Fassung für Clavier. Als Datum der Entstehung wird im Nachlaßkatalog Berlin 1765 genannt. Wenn auch die Ecksätze einem galanten Stil verpflichtet sind, zeigt sich doch schon zu Anfang des Werkes jener charakteristische Gegensatz zum weichen Mannheimer Stil, der sich bei Philipp Emanuel schon in den Spielanweisungen äußert. Die zahlreichen Keile über den noten, die der Komponist in den Autographen mit Sorgfalt setzt, vor allem aber die seltenen Tenuto-Zeichen weisen auf einen Bogenstrich französischer Manier hin, der oft kutz und etwas trocken ist. Um so eindringlicher heben sich die gebundenen Noten und die Verzierungen ab, die den erregten schnellen Sätzen durch ihren Kontrast sprühende Eleganz verleihen. Höhepunkt des Konzertes ist jedoch, wie oft bei Philipp Emanuel Bach, jenes seufzende Adagio in c-moll, das in kühnen, tonal bis an die Grenzen des harmonischen Systems rührenden Melodien eine Espressivität schafft, die doch immer einen Hauch des Künstlichen bewahrt. Vor einem solchen Satz, wird Klopstocks Grabschrift für den Hamburger Bach verständlich "War grß... in der kühnen sprachlosen Musik". Neben dem Oboenkonzert erscheint das 1748 in Potsdam entstandene Cembalo-konzert d-moll wie eine Vorahnung jenes musikalischen Sturm und Drang, dem Bach selbst in seinen späten Hamburger Werken huldigte.
Der heroische Affekt der Tonart d-moll, bei J. S. Bach so oft königlich dargestellt, wird hier umgewandelt zum leidenschaftlich erregten Spiel, beidenen die gewaltsamen Oktav-Sprünge mit aufgereckter Gebärde das Pathos kommender Meisterwerke in dieser berühmten Tonart vorwegnehmen. Der manirierte Stil einer von Frankreich her inspirierten Kunst verbindet sich mit dem Ton reiner Empfindung, die allerdings vor Gegensätzen nicht zurückschreckt.
Philipp Emanuel Bach war einer der großen Klavierspieler seiner Zeit. "Seele, Ausdruck, Rührung, das hat Bach erst dem Clavier gegeben", schreibt Reichardt. Die hohe Virtuosität des Klavierparts ist vor allem in unserem d-moll-Konzert volkommen der Idee der Sätze zugeordnet. In erstaunlichen Schwierigkeitsgraden bewegen sich aber auch die Figuren der Violinen, für die der Meister des Claviers mit einer gewissen Rücksichtslosigkeit schreibt, wobei allerdings das klingende Ergebnis vielleicht um so exzentrischer wirken mag.
Es bleibt zu sagen, daß die Mitglieder des Collegium aureum altitalienische und deutsche Instrumente des 16. bis 18. Jahrhunderts benutzen, daß die Violinen mit Darmsaiten bespannt sind und mit Barockbogen gespielt werden.