MODERNE KLASSIKER


1 CD - 472 647-2 - (p) & (c) 2003

1 - MODERNE KLASSIKER | geige







Serge PROKOFIEFF (1891-1953) Sonate für Violine und Klavier Nr. 2 D-dur, op. 94a

22' 53"

- Moderato 7' 41"
1

- Scherzo. Presto
4' 38"
2

- Andante 3' 42"
3

- Allegro con brio
6' 52"
4

Gidon Kremer, Violine | Martha Argerich, Klavier



Ernst KRENEK (1900-1991) Violinkonzert Nr. 1, op. 29
21' 28"

- Presto. Larghetto. Presto. Larghetto. Allegro vivace 12' 35"
5

- Adagio molto 5' 08"
6

- Allegro vivace. Adagio come sopra. Allegro. Presto 3' 45"
7

Chantal Juillet, Violine | Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin | John Mauceri, Dirigent


Dimitri KABALEWSKY (1904-1987) Konzert für Violine und Orchester in D-dur, op. 48
14' 40"


- Allegro molto e con brio
4' 07"
8

- Andantino cantabile
4' 59"
9

- Vivace giocoso
5' 34"
10

Gil Shaham, Violine | Russisches National Orchester | Mikhail Pletnev, Dirigemt



Ralph VAUGHAN WILLIAMS (1872-1958) The Lark Ascending
16' 08"
11

Iona Brown, Violine | Academy of St Martin-in-the-Fields ! Sir Neville Marriner, Dirigent







 


 






Luogo e data di registrazione
- Brussels, Maison de la Radio BRI/RIB, Studio 4 | marzo/aprile 1991 | studio | Prokofieff (1-4)
- Funkhaus Nalepastraße, Berlin Köpenich | novembre 1995 | Krenek (5-7)
- Moscow, State Conservatory, Great Hall | dicembre 1996 | Kabalewsky (8-10)
- London, Kingsway Hall | 12-14 maggio 1971 | Vaughan Williams (11)


Original Editions
- Deutsche Grammophon | 431 803-2 | 1 CD | (p) 1992 | DDD | Prokofieff (1-4)
- Decca "Entartete Musik" | 452 481-2 | 1 CD | (p) 1996 | DDD | Krenek (5-7)
- Deutsche Grammophon | 289 457 064-2 | 1 CD | (p) 1997 | 4D DDD | Kabaleswky (8-10)
- Argo | ZRG 696 | 1 LP | (p) 1972 | ANA | Vaughan Williams (11)


Edizione "Moderne Klassiker"

Universal Classics | 472 647-2 | LC 0173 | 1 CD | (p) & (c) 2003 | ADD/DDD | 0028947264729


Project
Christian Kellermann | Martin Hossbach | Justus Beier | Per O. Hauber


Direction
Justus Beier


Illustrations
Olaf Becker | Franz Scholz


Design
Olaf Becker | Becker-Design.net












ORIGINAL EDITIONS




MODERNE KLASSIKER: GEIGE
Vor dem ersten Weltkrieg begonnen, erst anschließend vollendet und 1920 in London uraufgeführt, beschwört die Romanze für Violine und Orchester The Lake Ascending von Ralph Vaughan Williams mit magischen Orchesterstimmen eine volksliedhafte Natur-idylle. Wie viele seiner englischen Kollegen beschäftigte sich Vaughan Williams mit alten englischen Volksliedern, die er sammelte und bearbeitete. Unberührt von den Umwälzungen dieser Jahre kümmert er sich in seiner Romanze „nicht um Moden von gestern und heute" und lässt die Violine ungetrübten Naturbildern nachlauschen.
Bei Ernst Krenek. dem Revolutionär vom Dienst, illustriert die Geige nicht mehr den Gesang derVögel. Krenek, der 1900 in Wien geboren wurde und dessen Lebensspanne fast das ganze Jahrhundert umfasste (1900-1991) ist heute fast nur noch durch seine viel beachtete und geächtete Jazzoper Jonny spielt auf bekannt. Diese jedenfalls wurde derart bekannt, dass sogar eine Zigarette nach ihr benannt wurde. Ein Jahr vor Jonny, 1924, entwarf Krenek mit dem 1. Violinkonzert op. 29 ein neoklassizistisches Paradestück. Das Stück entstand in einer schwierigen Zeit. Krenek hatte Probleme mit seiner Frau Anna Mahler, der Tochter Alma Mahlers, und hielt sich „in Liebesdingen für einen kompletten Versager". Die Verzweiflung hielt nicht lange an, denn Krenek entflammte für die australische Geigerin Alma Moodie und komponierte für sie sein Violinkonzert. „Relativ einfach in Struktur und Form, voll Schwung und Vitalität", so Krenek selbst über das Violinkonzert, das lange auf eine Wiederentdeckung warten musste.
Aus anderen Gründen galt dies auch für die Musik Dmitri Kabalewskis, der dem Stil eines sozialistischen Realismus huldigte. Sein melodiöses Violinkonzert von 1948 trifft hier pikanterweise auf die nur wenige Jahre zuvor entstandene zweite Sonate für Violine und Klavier von Serge Prokofieff, der unter jener herzlosen stalinistischen Kulturbürokratie leiden musste, zu deren ausführenden Organen Kabalewski gehörte.
Kabalewski, 1904, in St. Petersburg geboren, schien sich zunächst der Wirtschaftswissenschaft zuzuwenden, entschied sich dann aber für eine künstlerische Laufbahn, wobei er sich gleichermaßen für die Malerei wie das Klavierspiel interessierte. Ab 1925 studierte er am Konservatorium in Moskau, wohin die Familie inzwischen umgesiedelt war, wurde durch sein 1. Klavierkonzert (1928) überregional bekannt und engagierte sich seit dessen Gründung in wichtigen Positionen des Sowjetischen Komponistenverbands (1932). Seine Tätigkeit als Partei- und Kulturfunktionär und seit 1954. als Mitglied des Kultusministeriums trübt den Blick auf Kabalewskis Musik. die stets linientreu und patriotisch ungetrübt war, aber auch von einer großen handwerklichen Könnerschaft zeugt, die er sich als Schüler des brillanten Nikolai Miaskowski erworben hatte. Kabalewskis Violinkonzert ist Teil einer Konzerttrilogie, der auch ein Cello- und ein Klavierkonzert angehören.
Nachdem er 18 Jahre im Ausland, in den USA, in Paris sowie in Ettal, gelebt hatte, war Serge Prokofieff 1936 für immer in die Sowjetunion zurückgekehrt. Durch seine fieberhafte Arbeit lenkte er sich von den Bedrohungen durch das politische System ab: „Heutzutage muss man arbeiten. Arbeit ist das einzige, worauf es ankommt, die einzige Rettung." Wie Schostakowitsch hatte auch Prokofieff unter den Schikanen der willkürlichen Kulturbürokratie zu leiden, die ihn des .,Formalismus" bezichtigte. Durch den Vorwurf des „Formalismus" konnte man jeden Künstler unter die Knute und  zur völligen Anpassung zwingen. Viele schufen im Rahmen der gesetzten Grenzen glänzende Werke. Die D-Dur Sonate komponierte Prokofieff zunächst für Flöte und Klavier, wodurch sich ihr sonniger Charakter erklärt, und arbeitete sie erst auf Anregung von David Oistrach für Violine und Klavier um.

MODERNITÄT KENNT KEIN ALTER
Keine Musik ist uns so nah wie Musik unserer Zeit. Moderne Klassiker sind Klassiker des 20.Jahrhunderts. Die Musik ist erst wenige Jahrzehnte alt und Schock und Erstaunen, die sie auslöste, gerade erst überwunden. Für uns zählen sie bereits zu den Klassikern: exemplarisch für unsere und ihre Zeit und revolutionierend für die Kunst. Die Auswahl der Beispiele zeigt, wie sich manche Instrumente erst im 20. Jahrhundert aus dem Orchesterplenum zu neuer Wirksamkeit emanzipierten und in Schlüsselwerken der Moderne hervortraten. Modernität kennt kein Alter.
Manche der hier vorgestellten Komponisten wirken wie Zeitgenossen von heute, andere verlieren in der Gegenüberstellung an Originalität. Alles findet sich in dieser Musik, die Gebrochenheit und Vielfältigkeit des 20. Jahrhunderts: Auflehnung und Provokation, innere Emigration, Anpassung und schöner Schein. Packend: Prokofieffs 2.Violinsonate trifft auf das fast gleichzeitig entstandene Violinkonzert seines Widersachers Kabalewski. Noch Jahrzehnte nach seiner öffentlichen Brandmarkung spürt man in Schostakowitschs Cellokonzert seine gebrochene Seele. Die späten Konzerte von Richard Strauss sind ein Abgesang auf eine untergegangene Welt, eine Welt, für die alle Komponisten nach neuen Gesangstönen suchten, sei es als ekstatischer Liebestaumel, als Schrei um Erbarmen vor dem Verdammtsein oder als pure spätromantische Schönheitstrunkenheit. Aber die Modernen Klassiker besitzen auch kauzigen Humor, Ironie und ein charmantes Unterhaltungsbedürfnis.
Rolf Fath