MODERNE KLASSIKER


1 CD - 472 636-2 - (p) & (c) 2003

2 - MODERNE KLASSIKER | cello







Camille SAINT-SAENS (1835-1921) Konzert für Violoncello und Orchester No. 1 a-moll, op. 33

19' 20"

- Allegro non troppo · Animato · Allegro molto · Tempo I
5' 49"
1

- Allegretto con moto
5' 58"
2

- Tempo I · Un peu moins vite · Più allegro comme le premier mouvement · Molto allegro
7' 33"
3

Pierre Fournier, Violoncello | Orchestre Lamoureux | Jean Martinon, Dirigent



Claude DEBUSSY (1862-1918) Sonata for cello and piano
12' 27"

- Prologue 5' 01"
4

- Sérénade 3' 27"
5

- Finale 3' 59"
6

Mstislav Rostropovich, Cello | Benjamin Britten, Piano


Dimitri SCHOSTAKOWITSCH (1906-1975) Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 2, op. 126
36' 52"


- Largo
15' 06"
7

- Alegretto · attacca
4' 40"
8

- Alegretto
16' 06"
9

Mischa Maisky, Violoncello | London Symphony Orchestra | Michael Tilson Thomas, Dirigent







 


 






Luogo e data di registrazione
- Paris, Maison de la Mutualité | 25 maggio 1960 | studio | Saint-Saens (1-3)
- London, Kingsway Hall | luglio 1961 | Debussy (4-6)
- London, Abbey Road, Studio 1 | 4 agosto 1993 | Schostakowitsch (7-9)


Original Editions
- Deutsche Grammophon | SLPM 138 669 | 1 LP | (p) 1961 | ANA | Saint-Saens (1-3)
- Decca | SXL 2298 | 1 LP | (p) 1961 | ANA | Debussy (4-6)
- Deutsche Grammophon | 445 821-2 | 1 CD | (p) 1995 | 4D DDD | Schostawitsch (7-9)


Edizione "Moderne Klassiker"

Universal Classics | 472 636-2 | LC 0173 | 1 CD | (p) & (c) 2003 | ADD/DDD | 0028947263623


Project
Christian Kellermann | Martin Hossbach | Justus Beier | Per O. Hauber


Direction
Justus Beier


Illustrations
Olaf Becker | Franz Scholz


Design
Olaf Becker | Becker-Design.net












ORIGINAL EDITIONS



MODERNE KLASSIKER: CELLO
Der tiefe Klang, diese warmen Töne, die wie aus einer bedrängten Brust seufzen, haben das Violoncello zu dem Instrument gemacht, das sich seit Bachs Sonaten und Suiten oft zum Fürsprecher menschlichen Leidens gemacht hat. Düster und beklemmend klingt der Cellopart in Dmitri Schostakowitschs zweitem Cellokonzert von 1966. Mag sich das Cello noch sehr um Heiterkeit bemühen, der Orcbesterapparat fegt dies wild und böse danieder. Noch Jahrzehnte nach seiner öffentlichen Brandmarkung war Schostakowitsch ein gebrochener Mann. Hier spürt und erlebt man es. Doch die Tragik ist bei Schostakowitsch frei von Pessimismus und Fatalismus. Der erste Satz des zweiten Cellokonzerts ist ein ernstes und im gedanklichen Ausdruck konzentriertes Largo, das durch ein expressives und breit ausladendes Thema im Solocello eingeleitet wird. Im pausenlos angehängten Scherzo herrscht eine merkwürdig übermütige Ausgelassenheit mit Walzerrhythmen und verstörenden Zwischenrufen des Horns. Mit einer Kadenz des Cellos schließt sich der dritte Satz an, der auf den ersten Satz zurückgreift und mit einem einzigen, atemstockenden über 16 Takte ausgehaltenen Ton des Cellos im Orchesternachspiel endet.
Wie sein erstes Cellokonzert widmete Schostakowitsch auch sein Zweites dem Freund Mstislav Rostropowitsch, der die Uraufführung in Moskau und die englische Erstaufführung zehn Tage später in London spielte. Nach der Londoner Aufführung schrieb Benjamin Britten; „Es ist ein ergreifendes, kraftvolles Werk, eine Glanzleistung des Komponisten."
Dagegen ist das 1. Cellokonzert von Camille Saint~Saëns ein schwungvoll majestätisches, sehr virtuoses Stück, vielgeliebt und vielgespielt. Fast hundert Iahre vor Schostakowitsch war die Welt noch in Ordnung. Zumindest hat es in diesem Stück den Anschein. Charakteristisch für die Musik von Saint-Saëns war seine Ablehnung Wagners, womit er sich Ende des 19. Jahrhunderts mit seinen Kollegen Fauré, Massenet, Duparc und Franck einig war, seine Besinnung auf die nationalen französischen Traditionen und die Verbundenheit mit Bach, Mozart und Beethoven. Über den noblen und kultivierten Saint-Saëns hat Romain Bolland geschrieben; „ er wird von keiner Leidenschaft geplagt. Nichts trübt die Klarheit seines Verstandes. Goethe hatte, glaube ich, gesagt, es fehle ihm etwas Dämonisches. Der individuellste Zug seiner moralischen Physiognomie scheint eine melancholische Mattheit zu sein, die ihren Ursprung in einem recht bitteren Gefühl vom Nichts hat, mit Anfällen ein wenig krankhafter Müdigkeit. denen solche wunderliclien Humors, nervöser Heiterkeit und kapriziösen Geschmacks für die Parodie folgen; ein Franzose auf Reisen, der alles „französisiert", was er sieht." So durch und durch französisch ist auch das einsätzige Cellokonzert, ein elegantes Stück für alle Virtuosen, die ihre technische Brillanz demonstrieren und dennoch in lyrischen Kadenzen schwelgen wollen. Das Violinkonzert a-moll op. 33 erfreut sich seit der Uraufführung 1873 ununterbrochen der Gunst der Interpreten und Zuhörer. Das 30 Jahre später entstandene zweite Cellokonzert d-moll op. 119 konnte ihm diesen Rang nie streitig machen.
Mit feiner Ironie knüpfte Debussy 1915 in seiner Sonate an die Tradition des 18. Jahrhunderts an und zettelte im Miteinander von Cello und Klavier Pierrots poetischen Streit mit dem Mond an. Zu diesem Zeitpunkt war Debussy, dem die Pariser Akademie einst vorgeworfen hatte, seine Musik habe, „diesen verschwommenen Impressionismus, den gefährlichen Feind der Wahrheit in den Kunstwerken" eingeführt, ein erfolgreicher Vertreter der Moderne. Nach der Uraufführung von Pelléas et Mélisande 1902 wollte Debussy nicht allein als Haupt einer neuen Schule angesehen werden, zog sich zurück und isolierte sich.
Indem er jeglichen Schematismus über Bord warf, wirkte Debussy über Frankreich hinaus befreiend auf die Entwicklung der Musik - sowohl hinsichtlich ihres Ausdrucks als auch in ihrer Form. Debussys sensible Kunst mit ihrem Gefühl für feinste Farbvaleurs und dem Bestreben, flüchtigste Eindrücke festzuhalten, gehört zu den vollkommensten Erscheinungen der französischen Musik.

MODERNITÄT KENNT KEIN ALTER
Keine Musik ist uns so nah wie Musik unserer Zeit. Moderne Klassiker sind Klassiker des 20.Jahrhunderts. Die Musik ist erst wenige Jahrzehnte alt und Schock und Erstaunen, die sie auslöste, gerade erst überwunden. Für uns zählen sie bereits zu den Klassikern: exemplarisch für unsere und ihre Zeit und revolutionierend für die Kunst. Die Auswahl der Beispiele zeigt, wie sich manche Instrumente erst im 20. Jahrhundert aus dem Orchesterplenum zu neuer Wirksamkeit emanzipierten und in Schlüsselwerken der Moderne hervortraten. Modernität kennt kein Alter.
Manche der hier vorgestellten Komponisten wirken wie Zeitgenossen von heute, andere verlieren in der Gegenüberstellung an Originalität. Alles findet sich in dieser Musik, die Gebrochenheit und Vielfältigkeit des 20. Jahrhunderts: Auflehnung und Provokation, innere Emigration, Anpassung und schöner Schein. Packend: Prokofieffs 2.Violinsonate trifft auf das fast gleichzeitig entstandene Violinkonzert seines Widersachers Kabalewski. Noch Jahrzehnte nach seiner öffentlichen Brandmarkung spürt man in Schostakowitschs Cellokonzert seine gebrochene Seele. Die späten Konzerte von Richard Strauss sind ein Abgesang auf eine untergegangene Welt, eine Welt, für die alle Komponisten nach neuen Gesangstönen suchten, sei es als ekstatischer Liebestaumel, als Schrei um Erbarmen vor dem Verdammtsein oder als pure spätromantische Schönheitstrunkenheit. Aber die Modernen Klassiker besitzen auch kauzigen Humor, Ironie und ein charmantes Unterhaltungsbedürfnis.
Rolf Fath