MODERNE KLASSIKER


1 CD - 472 407-2 - (p) & (c) 2003


4 - MODERNE KLASSIKER | klavier







Benjamin BRITTEN (1913-1976) Konzert für Klavier und Orchester, op. 13

34' 05"

- Toccata 12' 01"
1

- Waltz
5' 06"
2

- Impromptu
8' 07"
3

- March
8' 51"
4

Sviatoslav Richter, Klavier | English Chamber Orchestra | Benjamin Britten, Dirigent



Dimitri SCHOSTAKOWITSCH (1909-1975) 24 Präludien und Fugen, op. 87
11' 17"

- Nr. 24 Präludium in d-Moll 3' 53"
5

- Nr. 24 Fuge in d-Moll 7' 24"
6

Vladimir Ashkenazy, Klavier


Witold LUTOSLAWSKI (1913-1994) Variationen über ein Thema von Paganini
5' 08"
7

Martha Argerich, Nelson Freire, Klaviere



Erik SATIE (1866-1925) Danses gotiques

12' 57"

- A l'occasion d'une grande peine
3' 46"
8

- Dans laquelle les Pères de la Très Véritable et Très Saint Eglise sont invoqués
0' 56"
9

- En faveur d'un malheureux
0' 20"
10

- A Propos de Saint Bernard et de Sainte Lucie
0' 43"
11

- Pour les pauvres trépassés
3' 11"
12

- Où il est question du pardon des injures reçues
1' 06"
13

- Par pitié pour les ivrognes, honteux, débauhés, imparfaits, désagréables et faussaires en tous genres
0' 49"
14

- En le haut honneur du vénéré Saint Michel, le garcieux Archange
0' 52"
15

- Après avoir obtenu la remise de ses fautes
1' 14"
16

Reinbert de Leeuw, Klavier






 


 






Luogo e data di registrazione
- Piton, The Maltings | 6 dicembre 1970 | Britten (1-4)
- Berlin, Winterthur (Stadthaus) and London | da maggio 1996 ad aprile 1998 | Schostakowitsch (6-6)
- Switzerland | agosto 1982 | Lutoslawski (7)
- Amsterdam, Waalse Kerk | febbraio 1995 | Satie (8-16)


Original Editions
- Decca | SXL 6512 | 1 LP | (p) 1971 | ANA | Britten (1-4)
- Decca | 466 066-2 | 2 CD | (p) 1999 | DDD | Schostakowitsch (5-6)
- Philips | 6514 369 | 1 LP | (p) 1983 | DIG | Lutoslawski (7)
- Philips | 454 048-2 | 1 CD | (p) 1996 | DDD | Satie (8-16)


Edizione "Moderne Klassiker"

Universal Classics | 472 407-2 | LC 0173 | 1 CD | (p) & (c) 2003 | ADD/DDD | 0028947240723


Project
Christian Kellermann | Martin Hossbach | Justus Beier | Per O. Hauber


Direction
Justus Beier


Illustrations
Olaf Becker | Franz Scholz


Design
Olaf Becker | Becker-Design.net












ORIGINAL EDITIONS




MODERNE KLASSIKER: KLAVIER
Wer heute ein paar Takte des Erik Satie hört. würde nie und nimmer darauf tippen, dass er bereits 1866 geboren wurde. Der älteste der hier vorgestellten Komponisten wirkt wie ein Zeitgenosse von heute. Satie ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass es nicht akademischer Ehren bedarf, um in der Welt der Kunst - und wahrscheinlich in jeder Welt - etwas zu erreichen. Wegen mangelnder Leistung und seiner Faulheit wurde Satie vom Pariser Konservatorium geworfen. Er war 19, als seine erste Kompositionen im väterlichen Verlag erschienen. Jahrelang schlug sich Satie im Künstlerviertel Montmartre durch, trat als Klavierspieler in den Cafés auf und unterzog sich als 40. jähriger nochmals den Mühen eines fundierten musikalischen Studiums. Der Durchbruch kam erst, nachdem Debussy und Ravel seine Stücke in der Öffentlichkeit bekannt gemacht hatten. Satie war ein Außenseiter - in künstlerischer wie sozialer Hinsicht. Seine skurrilen, originellen Sekundenminiaturen sind klaviristische Bonmots mit Ironie und Tiefgang. Unter den Modernen Klassikern für das Klavier nimmt Sattie einen Ehrenplatz ein, weil er sich, wie kaum ein anderer der Avantgartlisten, nahezu ausschließlich auf dieses Instrument konzentrierte und sich von keiner Mode oder zeitgenössischen Strömung vereinnahmerı ließ. In seinen Danses gotiques von 1893 betet Satie einen musikalischen Rosenkranz. Satie starb im Alter von 59 Jahren an einem Leberleiden.
Mit seinem Klavierkonzert von 1938 wollte Benjamin Britten gleich auf einen Streich alles erreichen. Er wollte sowohl das Londoner Publikum von seinen pianistischen Fähigkeiten überzeugen als auch mit unzähligen Möglichkeiten des Instruments experimentieren und seine kompositorische Brillanz unter Beweis stellen. Brittens Hoffnung erfüllte sich nicht. Im folgenden Jahr ging der überzeugte Pazifist mit seinem Freund und Lebenspartner Peter Pears nach Amerika. Britten wurde zum Außenseiter. Man weiß nicht was ihm schwerer angekreidet wurde, dass er die Kriegsjahre fern seiner Heimat verbracht hatte oder dass er ganz offen mit einem Mann zusammenlebte. Erst die Uraufführung seiner Oper Peter Grimes (1945) markierte den Umschwung in der öffentlichen Meinung und Wertschätzung. Peter Grimes ist genau das. was man als einen Meilenstein betrachtet: die bis heute wichtigste englische Oper und die Grundlage zu Brittens Bedeutung als größtem englischen Komponisten des 20. Jahrhunderts.
Brittens Concerto for Piano and Orchestra op. 13 hören wir heute mit anderen Ohren. Es ist das kunstvolle, geistreiche und eigenständige Werk eines 25 -jährigen, der in den Ecksätzen des Konzerts seiner Bewıınderung für Schostakowitsch und Bartók Tribut zollt.
Auch der sieben Jahre ältere Schostakowitsch wurde zum Außenseiter. Der stets selbstkritische Komponist und Pianist nahm die brodelnde Aufbrııchstimmung, die in den ersten Jahren der Sowjetunion in den Künsten herrschte, auf und setzte sich mit allen modernen und fortschrittlichen Tendenzen auseinander, Dann kam jener Schlag, von dem er sich auch nach Jahrzehnten trotz aller hohen Ämter und Anerkennungen nie wieder erholte: die öffentliche Brandmarkung seiner Oper Lady Macbeth von Mzensk mit der Prawda-Überschrift „Chaos statt Musik".  Die elementare Angst, Stalins Kunstpolitik zum Opfer zu fallen. verließ Schostakowitsch in diesenJahren nie. Er flüchtete sich in die innere Emigration. 1950 durfte er nach Leipzig zum Bachfest reisen. Die 1950/51 komponierten Präludien und Fugen op. 87 sind eine Referenz vor Joharm Sebastian Bach und seinem Wohltemperierten Klavier.
Ebenfalls auf ein bekanntes Stück, das letzte der berühmten 24. Capriccios op. 1 für Solovioline von Niccolò Paganini, das Generationen von Kollegen fasziniert hatte, bezog sich der Pole Witold Lutoslawski in seinem bekanntesten Variationenstück, den Variationen über ein Thema von Poganini.

MODERNITÄT KENNT KEIN ALTER
Keine Musik ist uns so nah wie Musik unserer Zeit. Moderne Klassiker sind Klassiker des 20.Jahrhunderts. Die Musik ist erst wenige Jahrzehnte alt und Schock und Erstaunen, die sie auslöste, gerade erst überwunden. Für uns zählen sie bereits zu den Klassikern: exemplarisch für unsere und ihre Zeit und revolutionierend für die Kunst. Die Auswahl der Beispiele zeigt, wie sich manche Instrumente erst im 20. Jahrhundert aus dem Orchesterplenum zu neuer Wirksamkeit emanzipierten und in Schlüsselwerken der Moderne hervortraten. Modernität kennt kein Alter.
Manche der hier vorgestellten Komponisten wirken wie Zeitgenossen von heute, andere verlieren in der Gegenüberstellung an Originalität. Alles findet sich in dieser Musik, die Gebrochenheit und Vielfältigkeit des 20. Jahrhunderts: Auflehnung und Provokation, innere Emigration, Anpassung und schöner Schein. Packend: Prokofieffs 2.Violinsonate trifft auf das fast gleichzeitig entstandene Violinkonzert seines Widersachers Kabalewski. Noch Jahrzehnte nach seiner öffentlichen Brandmarkung spürt man in Schostakowitschs Cellokonzert seine gebrochene Seele. Die späten Konzerte von Richard Strauss sind ein Abgesang auf eine untergegangene Welt, eine Welt, für die alle Komponisten nach neuen Gesangstönen suchten, sei es als ekstatischer Liebestaumel, als Schrei um Erbarmen vor dem Verdammtsein oder als pure spätromantische Schönheitstrunkenheit. Aber die Modernen Klassiker besitzen auch kauzigen Humor, Ironie und ein charmantes Unterhaltungsbedürfnis.
Rolf Fath